Archive for the ‘Theater’ Category

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netheaterz

Mai 8, 2013

Relativ ungeordnete Gedanken nach dem Auftaktabend von :
Großes Auseinanderdröselbedürfnis vorm Zusammenbringen von Theater und Netz. Was ist überhaupt „Netz“? Was macht es aus? Was kann es für Theater bedeuten?

Netz ist ganz vieles diverses. Theater ist etwas spezielles, aber offenes.

Netz ist Information. Und Theater?

Netz ist Kommunikationsmittel und somit ein Vehikel für Öffentlichkeitsarbeit. Von einem Theater in Richtung Öffentlichkeit, von der Öffentlichkeit in Richtung Theater.

Netz ist Kommunikationsmittel und kann als solches Eingang in ein Theaterereignis finden. Netzkommunikation auf der Bühne. Bühnenkommunikation im Netz.

Netz ist ein Ort, an dem Theater stattfinden kann. Sei es durch Übertragung eines Bühnengeschehens, sei es als Teil eines Bühnengeschehens. Theater ohne Bühne gibt es nicht. Netz kann Bühne sein.

Netz ist ein gesellschaftlich relevantes Thema und kann als solches Teil eines Theaterereignisses sein. Explizit durch Einbinung in eine dramatische Handlung, z.B. Stück über das Netz oder Stück über eine Handlung, die im Netz stattfindet. Implizit, indem Handlungen im Netz als performative Praktiken ein Theaterereignis konstitutieren, beeinflussen, ergänzen, steuern.

Zentrale Stichworte sind Körperlichkeit, Präsenz und Zeit. Netz ist virtuell, Theater ist – darauf beharre ich – körperlich. Theater ist Präsenz, Anwesenheit von Menschen, das Jetzt, die Echtzeit. Zumindest sind das die zentralen Dispositive, die natürlich auch in Frage gestellt oder negiert werden können. Netz ist körperliche Abwesenheit, virtuelle Präsenz, die in der Netzgesellschaft nicht gleichbedeutend aber ebenbürtig mit der körperlichen Präsenz verhandelt wird. Zeit ist im Netz relevant, Vergangenheit und Zukunft sind möglich (Blogartikel von gestern und Wetterbericht von morgen). Die konstituierende Zeitzone des Netzes ist jedoch das Jetzt, Gleichzeitigkeit ist möglich und macht das Netz aus.

Das Netz hat keinen Ort. Das Theater braucht eine Bühne.

So weit, so ungeordnet, so halb reflektiert.
Mal sehen, was der morgige Tag mit diesen Gedanken so anrichtet.

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Publikumsbeschimpfung

Oktober 20, 2010

Ich war heute im HAU, um mir „We are the undamaged others“ von Toshiki Okada und seiner Gruppe Cheltfish anzusehen. Als ich vor der Vorstellung meiner Begleitung von meiner neuen 9,90 €-Hose von H&M berichtete, mischte sich die Dame neben mir – etwa Mitte 50 mit einem „Atomkraft, nein Danke!“-Sticker auf ihrer Tasche – in unser Geplänkel ein. Ob ich denn wüsste, woher diese Hose komme, fragte sie mit anklagendem Weltretter-Pathos. Ich folgte ihrer Rhetorik und bekannte mich schuldig:  Sicherlich von armen Kindern in Bangladesh. Ich sei aber momentan arbeitslos, da müsse das eben sein. Nach ein paar Minuten, in denen ich zwischen Empörung und Schuldbewusstsein schwankte und sie wohl innerlich über die gewissenlos-hedonistischen Dreißigjährigen von heute klagte, setzte die Dame nach: „Aber ins Theater gehen, das geht, was?“ Woraufhin ich mit ausgesuchter Freundlichkeit entgegnete, dass ich im Theaterbereich arbeite, man dort jedoch so wenig verdiene, dass das Arbeitslosengeld gering sei, ich aber dennoch ins Theater gehen müsse, um auf dem Laufenden zu bleiben. Touché und kurzes Schweigen. Dann sie: „Naja, es geht mich ja auch eigentlich nichts an und ich sollte mich nicht in Ihr Gespräch einmischen.“ Daraufhin ich, leicht gönnerhaft: „Aber das ist doch Ihr gutes Recht.“ Was durchaus ernst gemeint war, denn ich finde es wichtig, sich einzumischen. Mache ich selbst viel zu selten. Aber vom auf relativ magerem Kulturgehalt basierenden Arbeitslosengeld kann man nun mal nicht zu zu 100 % ethisch vertretbar und biologisch abbaubar leben. Wobei ich natürlich nicht arm bin, sondern vom Staat gut ernährt, eingekleidet und unterhalten werde und eben nicht Hosen für H&M zusammenkleben muss, um zu überleben. Es ist gut, dass man ab und an von engagierten Mitbürgern an letzteres erinnert wird. Oder an ersteres, von der gewissenlos-sparsamen Platznachbarin im Theater.

P.S.: Das Stück war dann eine schlichte, aber sehr intensive Meditation über das Glücklichsein, dessen Abhängigkeit von Wohlstand und den Erwartungen ans Leben. Passte irgendwie zum Prolog.